Adultismus. Die Macht der Erwachsenen über die Kinder.


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Manfred Liebel im Gespräch mit Anna-Lynn Ridderbusch: Adultismus. Die Macht der Erwachsenen über die Kinder.

Rassismus und Sexismus sind als Herrschaftsverhältnisse und Formen der Diskriminierung ebenso allgegenwärtig wie (formal) geächtet. Wie aber verhält es sich mit der kaum thematisierten Macht, der junge Menschen unterworfen sind? Kinder und Jugendliche erleben Adultismus auf vielfältige Weise: als Geringschätzung, Missachtung, Entwürdigung, Entwertung, Unterstellung, Stigmatisierung, Vereinnahmung, Überwältigung, Fremdbestimmung, Unterwerfung, Benachteiligung oder Bestrafung. Bei manchen führt Adultismus zu Unsicherheit und Selbstentwertung, bei anderen zu Frustration und Widerstand. Wiederum andere resignieren, verstummen oder geben den erlebten Schmerz an Schwächere weiter. Adultismus versteckt sich häufig sogar hinter Handlungen und Maßnahmen, die vorgeben, dem Schutz junger Menschen zu dienen. Er ist in fast allen Gesellschaften so alltäglich, dass er selten als Problem wahrgenommen wird. Auch in den Wissenschaften ist er bisher kaum untersucht worden.

Die Autoren blicken auf Adultismus als Diskriminierungsachse, aber auch als strukturelles Machtverhältnis, das sich etwa in Institutionen, Raumgestaltung oder Politik eingebrannt hat. Sie zeigen mit vielen Beispielen, in welchen Formen er auftritt und das Zusammenleben zwischen jungen und älteren Menschen beeinflusst. Sie erklären, wie er zustande kommt und sich immer wieder erneuert. Sie zeigen aber auch Wege auf, wie ihm der Boden entzogen werden kann, durch Erwachsene ebenso wie durch Kinder und Jugendliche selbst, im Privaten und Beruflichen wie im Politischen.

Die Autoren verstehen ihr Buch als eine Anregung zum Handeln, für eine Gesellschaft, in der nicht länger Mächtige über Ohnmächtige herrschen, in der junge Menschen und zukünftige Generationen zu ihrem Recht kommen.

 

Manfred Liebel hat sich, seit er vor mehr als 50 Jahren das Buch »Schülerselbstbefreiung« veröffentlichte, mit dem ungleichen Machtverhältnis zwischen erwachsenen und jungen Menschen auseinandergesetzt. Als langjähriger Professor für Soziologie an der TU Berlin widmete er sich vornehmlich der Kindheits- und Jugendforschung. Angeregt durch seine Erfahrungen in der »Educación Popular« mit Kindern und Jugendlichen in Lateinamerika gab er den Anstoß zur Gründung des Masterstudiengangs »Childhood Studies and Children’s Rights« und war bis in die jüngste Zeit dessen Leiter, zunächst an der FU Berlin, dann an der FH Potsdam. Er hat den Verein ProNATs – zur Unterstützung arbeitender Kinder mitgegründet und ist stellvertretender Vorsitzender des Beirats der National Coalition zur Umsetzung der UN-Kinderrechte in Deutschland.

Anna-Lynn Ridderbusch ist Doktorandin der Abteilung Allgemeine Pädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Das Buch ist im Bertz+Fischer Verlag erschienen.