Grenzen aus Glas. Arbeit, Rassismus und Kämpfe der Migration in Deutschland
Peter Birke hat im Rahmen einer größeren Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen Arbeitsprozesse und Arbeitskämpfe im Online-Versandhandel und in der Fleischindustrie von 2017 bis Mitte 2021 beobachtet. In diesen beiden Branchen finden sich Unternehmen wie Amazon oder Danish Crown, in denen fast alle Arbeiter:innen keinen deutschen Pass haben. Ausgehend von den konkreten Tätigkeiten und Handlungsbedingungen der Beschäftigten in den Betrieben analysiert der Autor den Zusammenhang zwischen Arbeit, Rassismus und Kämpfen der Migration. Gegenüber der Darstellung, dass Migrant*innen vornehmlich wehrlose Opfer ausbeuterischer Unternehmer seien, betont die Studie die relative Autonomie migrantischer Arbeiter*innen. Diese wird als Basis kollektiver Organisierung und der Durchsetzung von sozialen Rechten gezeichnet, und zwar trotz und gerade angesichts einer multiplen Prekarität, die sich nicht nur auf den Arbeitsprozess selbst bezieht, sondern auch auf verweigerte Aufenthalts- und Sozialrechte. Die Pandemie hat dies sowohl exponiert als auch verstärkt: Nicht zuletzt die Masseninfektionen und die anschließenden Eingriffe des Staats haben gezeigt, warum Migrations- und Klassenverhältnisse heute auch in der Bundesrepublik nicht mehr als getrennte Sphären begriffen werden können.
Peter Birke koordiniert die Forschungsperspektive „Sozialökonomie von Arbeit“ am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen und ist Redakteur der Zeitschrift „Sozial.Geschichte Online“. Seine Studie "Grenzen aus Glas. Arbeit, Rassismus und Kämpfe der Migration in Deutschland" ist im Januar 2022 im Mandelbaum-Verlag erschienen.