»Der Streik hat mir geholfen, als junger Mensch Kraft aufzubauen.« Migrantische Kämpfe gegen Ausbeutung und Rassismus
Die migrantischen Kämpfe für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung sind zugleich ein mutiger Kampf gegen die Zumutungen des Kapitalismus und des Rassismus seit Beginn der 1960er-Jahre. Ein Höhepunkt dieser Kämpfe war eine Serie von Migrantenstreiks im Sommer 1973.
Im Bewusstsein der politischen Linken und der migrantischen Gewerkschafter*innen sind diese Streiks als Wendepunkte des Widerstands gegen Ausbeutung und rassistische Strukturen tief verankert. Insofern sind die spontanen Streiks der Migrant*innen im Sommer 1973 mehr als nur historische Ereignisse – sie sind Symbole des Kampfes um Gerechtigkeit, Solidarität und Würde. Diese Kämpfe haben die Arbeitswelt verändert und unser Verständnis von Zusammenhalt und Widerstand in einer Gesellschaft geprägt, die leider allzu oft eher spaltet als solidarisch vereint. Deshalb sind diese Kämpfe ein Mahnmal, aber auch eine Quelle der Inspiration für die kommenden Generationen.
Zweifellos haben diese spontanen Streiks gegen die kapitalistische Ausbeutung die Gewerkschaften enorm gestärkt. Es waren die spontanen Streikwellen seit Anfang der 1960er-Jahre und verstärkt im Sommer 1973, die die Gewerkschaften dazu veranlassten, die Humanisierung der Arbeitswelt, die Abschaffung der frauendiskriminierenden Niedriglohngruppen, die Verlängerung des tariflichen Urlaubs und die Verkürzung der Wochenarbeitszeit flächendeckend durchzusetzen.
Der Sammelband diskutiert und würdigt migrantische Kämpfe aus einer kapitalismuskritischen, antirassistischen oder radikaldemokratischen Perspektive. Die Erinnerung an migrantische Kämpfe dient sowohl der historischen Würdigung der am Streik beteiligten Arbeiter*innen als auch der Ermutigung für eine solidarische Praxis, die gerade in Zeiten der Prekarisierung und Segmentierung von Arbeits- und Lebenswelten geboten ist.
Nihat Öztürk, geb. in Antakya (Türkei), arbeitete als Gießereiarbeiter und Elektroschweißer, bevor er als Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung Soziologie und Sozialökonomie studierte. Ab 1983 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hamburg und Dortmund tätig. 1989 wechselte er zur IG Metall Düsseldorf. Dort arbeitete er als Gewerkschaftssekretär und von 1996 bis 2017 als Geschäftsführer. Danach war er bis 2019 im Ressort Migration und Teilhabe beim Vorstand der IG Metall tätig. Er ist im Vorstand des Kumpelvereins Gelbe Hand, im Beirat der Rosa-Luxemburg-Stiftung-NRW und in weiteren Vereinen bürgerschaftlich aktiv. Letzte Veröffentlichung: Etappen, Konflikte und Anerkennungskämpfe der Migration, Berlin 2022.